Von Windrädern umzingelt

Andrea Köhler (l.) und Miriam Kiene sehen die Windenergiepläne im Landkreis kritisch.
Foto: kre

Bericht von KLAUS RESCHKE in der Landeszeitung Lüneburg vom 21.09.2024

Miriam Kiene aus Süttorf und Andrea Köhler aus Neetze kritisieren die Energiestrategie des Landkreises

Neetze. „Wenn die Pläne wie vorgesehen umgesetzt werden, ist der Wald tot!“ Miriam Kiene aus Süttorf und Andrea Köhler aus Neetze machen sich da keine Illusionen. Die im Zuge der Energiewende geplanten Windkraftanlagen „bedeuten das Aus für den Wald in den Breetzer Bergen“, sind die beiden überzeugt. Dagegen wehren sie sich.

Wie berichtet, erstellt der Landkreis Lüneburg zurzeit das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP), in dem die Vorranggebiete für die Windkraftanlagen bis Ende 2027 festgeschrieben werden sollen. Insgesamt 4099 Hektar, davon 2240 Hektar Wald. Bis Ende 2032 muss der Landkreis sogar 5305 Hektar Fläche für Windräder nach Hannover melden. Doch die Lücke von 1206 Hektar könnten zwischenzeitlich die Gemeinden und eigene Flächen für Windparks ausweisen, so das Kalkül von Verwaltung und Kreispolitik.

Besonders betroffen von den Windrad-Plänen sind Teile des Ostkreises und hier insbesondere die Gemeinden rund um die Breetzer Berge: „An die 100 Anlagen werden rings um unser Dorf stehen“, sagt Miriam Kiene. „Da spielt es keine Rolle, von wo der Wind weht. Wir werden immer eine Geräuschbelästigung durch die Windräder haben.“

Energiewende ohne echten Plan

Die beiden Frauen sind nicht gegen die Energiewende, im Gegenteil: „Aber was wir brauchen, ist eine Energiewende mit Sinn und Verstand“, fordern die beiden – und die können sie bei der gegenwärtigen Politik nicht erkennen: „Wir sind enttäuscht“, sagt Andrea Köhler. Schon jetzt würden Windräder immer wieder abgeschaltet, weil zu viel Strom produziert und ins Netz gespeist werde. „Trotzdem sollen weiter neue Windparks entstehen.“ Dabei seien weder die Leitungsnoch die Speicherkapazitäten vorhanden“, kritisiert Miriam Kiene, die der Bundes- und Landesregierung vorwirft, in der Energiefrage „ohne Plan“ zu handeln.

Dass die Breetzer Berge als Waldfläche ökologisch weniger wertvoll sein sollen, können Kiene und Köhler nicht nachvollziehen: Unterstützung bekommen sie vom Nabu und dem BUND: Thilo Clavin vom Naturschutzbund Deutschland (BUND) etwa sagt: „Entgegen den Behauptungen der Windkraft-Befürworter handelt es sich zumindest bei einem Teil der Breetzer Berge um ein abwechslungsreiches Waldgebiet mit einem steigenden Laubholz-Anteil. Allein die relativ hohe Anzahl der Vogelarten – darunter nicht mehr alltägliche Arten – sind ein Beweis für den hohen Wert und den gesunden Zustand des Waldes. Eine hohe Artenvielfalt ist ein Indikator für den ökologischen Wert eines Gebietes. Und das Gebiet ist sicher auch deshalb so naturnah, weil es forstwirtschaftlich schon lange nicht mehr genutzt wird“ .

Für die ökologische Vielfalt des Areals spricht auch die Vogelstimmenzählung des Nabu im Breetzer Wald zwischen Süttorf und Neetze: „Es gibt Rotmilanhorste in dem Gebiet und mitten im Vorranggebiet, Richtung Thomasburg, einen Großvogelhorst“, berichtet Miriam Kiene.

Historische Karten belegen zudem, dass die Breetzer Berge schon 1776 mit Laubwald bewachsen waren. „Für einen alten Waldstandort spricht der Goldlaufkäfer, den wir im Wald beim Waldspaziergang in Süttorf gefunden haben“, sagt Kiene und weist auf eine Studie hin, die belege, dass diese Laufkäfer besonders austrocknungsempfindlich seien. Eine Gefahr, die durch das Aufstellen von Windrädern besonders groß sei.

Überhaupt möchten Köhler und Kiene nicht von „Klimaneutralität“ sprechen, wenn sie über Windräder sprechen: Flächen-, Energie- und Materialverbrauch stehen dem „klimaneutral“ entgegen, geben sie zu bedenken.

Gründung einer Bürgerinitiative als Option

Befürworter von Windkraftanlagen dagegen argumentieren, dass diese über Jahre mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr CO₂ einsparen, als der Wald, der an gleicher Stelle dem Bau der Anlage weichen musste. „Was aber selbst die modernste Anlage nicht schafft, wohl aber ein intakter Wald: nämlich Sauerstoff produzieren, den Wasserhaushalt regulieren und der Tierwelt ein Zuhause geben“, mahnt Miriam Kiene.

Mittlerweile gibt es Hunderte Studien zu Windkraftanlagen. Das Gros sieht Windkraft als unverzichtbar an, einige dagegen weisen darauf hin, dass es in der Umgebung von Windkraftanlagen zu weniger Niederschlag und einer insgesamt höheren Temperatur kommt. „Das will mit Blick auf den Klimawandel wohl niemand“, sagen Kiene und Köhler.

Aufgeben wollen die beiden Frauen deshalb nicht, im Gegenteil: „Wir überlegen, auch in Neetze eine Bürgerinitiative ins Leben zu rufen“, kündigen sie an, und schließen auch den Gerichtsweg nicht aus: Gemeinsam mit BUND und Nabu würden die Bürgerinitiativen an einer Normenkontrollklage gegen die Windkraftpläne des Landkreises arbeiten.

Das könnte dich auch interessieren …