Bargmoor – Von Windrädern umzingelt

Bargmoor.

Der demografische Wandel macht Deutschland zu schaffen: Die Bevölkerung wird zunehmend älter, es fehlt an allen Ecken und Enden an Fachkräften. Davon besonders betroffen sind die ländlichen Regionen. Ein Phänomen, das man in Zeiten der Industrialisierung zurückgelassen geglaubt hatte: die Landflucht.

Torsten und Nicola Hohmann dagegen sind den umgekehrten Weg gegangen. Die beiden Tierärzte – ursprünglich in Wolfenbüttel und Düsseldorf beheimatet – haben der Großstadt den Rücken gekehrt und sich ganz bewusst für ein Leben auf dem Land entschieden. Seit 2009 wohnen sie in der ehemaligen Försterei im Bargmoor, haben sich hier ein echtes Paradies geschaffen.

Bis zu 90 Windräder vor der Haustür

Mit Pferden, mit Gänsen und Laufenten. Doch das Idyll der beiden ist bedroht. Denn in nicht einmal 600 Meter Entfernung von ihrem Wohnhaus könnten sich schon bald mehr als 90 Windräder drehen. Jedes womöglich bis zu 300 Meter hoch – wenn die Pläne des neuen Regionalen Raumordnungsprogramms so wie im Entwurf des Landkreises beschrieben, umgesetzt werden.

Denn der Landkreis hat im Bargmoor/Breetzer Berge eine rund 1000 Hektar große Windvorrangfläche ausgewiesen. Dagegen regt sich nun Widerstand in der Region: In Breetze hat sich die Bürgerinitiative „Keine Windräder im Breetzer Wald“ gegründet, auch in Ellringen sehen Tourismusbetriebe die Planungen äußert kritisch. „Wenn das Regionale Raumordnungsprogramm so umgesetzt wird, wie es der Landkreis aktuell plant, ist unser Familienbetrieb existenziell gefährdet“, mahnte jüngst Stefan Schenzel vom Kronshof.

Doch ganz besonders hart würde die von Bund und Land forcierte Energiewende Familie Hohmann treffen, denn bei Einzelgehöften und Splittersiedlungen wie der ihren gelten reduzierte Abstandsregelungen zu den Windquirlen. Torsten Hohmann holt eine Landkarte hervor, auf dem sein Anwesen sowie die Windvorrangfläche eingezeichnet ist: „Wenn es so kommt wie geplant, dann sind wir zu 180 Grad von Windrädern umzingelt“.

Eine Vorstellung, die seiner Frau Angst macht und nachts nicht mehr schlafen lässt: „Das treibt mich um“, sagt sie und weiter: „Es gibt im gesamten Landkreis Lüneburg keinen Ort und kein Gehöft, das so von Windrädern umfasst würde wie wir.“

Wieso gerade Dahlenburg?

Was die beiden überhaupt nicht nachvollziehen können ist, dass für die Windkraftpläne jede Menge Bäume fallen müssen – „alles CO2-Speicher!“, mahnt Nicola Hohmann an.

Für sie klingen die Worte von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) daher geradezu wie Hohn, wenn er sagt, dass es Ziel der Bundsregierung sei, den Schutz der Wälder weiter voranzutreiben. „Die Wälder sind unsere natürliche Klimaanlage“, sagte der Minister. 900 Millionen Euro stelle der Bund deshalb für zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen im Wald zur Verfügung, so Özdemir. „Und bei uns soll im schlimmsten Fall ein ganzes Waldgebiet den Windrädern zum Opfer fallen“, kritisiert Nicola Hohmann.

Was die Hohmanns und ihre Mitstreiter auch nicht verstehen: Dahlenburg macht bereits sehr viel für die Gewinnung grüner Energie. 27 Windkraftanlagen drehen sich auf dem Gebiet der Samtgemeinde Dahlenburg, dazu kommen zwei Biogasanlagen, die ebenfalls Strom produzieren, und demnächst soll noch eine mehrere Hektar große Solaranlage gebaut werden. „Wir erzeugen in der Samtgemeinde grünen Strom für rund 130.000 Menschen“, rechnen die Hohmanns vor – „und trotzdem soll vor unserer Haustüre nun womöglich noch ein weiterer Mega-Windpark entstehen!“

Enttäuscht zeigen sich die beiden von der Politik: So gravierende Pläne müssten doch im Vorfeld mit den Bürgern besprochen werden. Das aber sei so gut wie nicht passiert, kritisieren die beiden. Selbst jetzt würden viele Bürger die Planungen noch gar nicht kennen.

Ziel der Landesregierung ist es, 30 Gigawatt (GW) Windenergieleistung an Land bis 2035 in Niedersachsen zu installieren. Das entspricht einem Zubau von rund 18 Gigawatt. Jährlich sollen dafür 1,5 Gigawatt an Leistung dazukommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 kamen mit etwa 100 neuen Windrädern insgesamt rund 450 Megawatt (Megawatt) Leistung hinzu. „Mit bisher rund 6.200 Anlagen ist Niedersachsen schon jetzt Windenergieland Nr. 1 in Deutschland“, heißt es in einer Pressemitteilung des niedersächsischen Umweltministeriums.

Für die Hohmanns allerdings ist klar: Sollten die Windräder kommen, werden sie wegziehen. Wenn auch schweren Herzens. Aber als erfahrene Tierärzte werden sie auch andernorts einen Platz zum Leben und Arbeiten finden.

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