Es gibt mehrere häufig vorgebrachte Argumente von Befürwortern des Windkraftausbaus (v. a. im Wald), die bei genauer fachlicher Betrachtung nicht oder nur eingeschränkt haltbar sind. Hier ist eine Liste mit typischen Aussagen, deren kritischer fachlicher Einordnung und Gegenargumenten:
🚫 „Naturwälder sind nicht betroffen“
These:
Es würden nur „wirtschaftlich genutzte Forste“ betroffen sein, keine ökologisch wertvollen Naturwälder.
Fachliche Einschätzung:
Diese Aussage ist oft irreführend oder falsch.
Begründung:
- Auch Wirtschaftswälder können alte, strukturreiche Lebensräume enthalten, die u. a. für Fledermäuse, Vögel, Moose und Käfer bedeutend sind.
- Viele Wälder, die formal „wirtschaftlich genutzt“ werden, erfüllen eine hohe Biotopfunktion, z. B. durch naturnahe Bodenstruktur, seltene Baumarten, Totholzvorkommen etc.
- Windkraftplanung erfolgt nicht zwingend außerhalb von Biotopen, sondern oft ohne flächendeckende faunistische Erfassung.
- Zudem greift § 45b BNatSchG auch in forstwirtschaftlich genutzten Flächen, wenn besonders geschützte Arten betroffen sind.
- Darüber hinaus gibt es in Deutschland nur ca. 3% Natur(Ur-)wälder. Es wird dadurch leicht das Missverständnis erzeugt, alle schönen vitalen Wälder müssten darunter fallen. Dem ist aber nicht so. Wer als Politiker “Naturwälder” sagt, meint auch bewusst nur solche. Alle anderen 97% sind Wirtschaftswälder (Forste).
🚫 „Die Flächen werden nach Ende der Nutzung wiederaufgeforstet“
These:
Nach 20–25 Jahren Betriebszeit würden die Flächen renaturiert, die Fundamente entfernt und der Waldzustand wiederhergestellt.
Fachliche Einschätzung:
Diese Annahme ist oft nicht realistisch.
Begründung:
- Fundamente aus Stahlbeton (bis zu 3000 t Material pro Anlage) reichen teilweise 5 m tief in den Boden – ihr vollständiger Rückbau ist ökologisch und wirtschaftlich fraglich.
- Rekultivierung wird zwar rechtlich gefordert, aber kaum wirksam kontrolliert.
- Die Verdichtung durch schwere Maschinen, Rodungen und Zuwege verändert den Waldboden dauerhaft.
- Eine echte Wiederaufforstung im ökologischen Sinne (mit autochthonen Arten, standortgerecht, strukturreich) ist selten und gelingt oft nicht.
🚫 „Das Bundesverfassungsgericht hat Windkraft im Wald erlaubt“ (Urteil Thüringen)
These:
Das Thüringer Urteil zwinge Länder oder Kommunen dazu, Windkraft im Wald zuzulassen.
Fachliche Einschätzung:
Das ist eine missverstandene oder verkürzte Auslegung des Urteils.
Begründung:
- Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 2022 lediglich das generelle Windkraftverbot im Wald im Thüringer Waldgesetz als unverhältnismäßig eingestuft.
- Es wurde nicht entschieden, dass Windkraft im Wald erlaubt sein muss, sondern nur, dass pauschale Verbote ohne Abwägung verfassungswidrig sein können.
- Die Länder behalten sehr wohl die Planungshoheit und können den Ausbau lenken, begrenzen oder fachlich begründet untersagen.
🚫 „Der Wald ist doch eh kaputt – was macht das noch aus?“
These:
Durch Trockenheit, Borkenkäfer und Sturm sei der Wald ohnehin stark geschädigt, also könne man dort auch Windräder bauen.
Fachliche Einschätzung:
Das ist ein zynisches und naturfernes Argument, das grundlegende ökologische Zusammenhänge ignoriert.
Begründung:
- Gerade geschädigte Wälder brauchen Erholung und natürliche Entwicklung, keine zusätzliche Belastung.
- Der Umbau zu klimaresilienten Mischwäldern wird durch Baumaßnahmen, Rodungen und Zufahrten massiv gestört.
- Es handelt sich um eine Selbstverstärkungslogik: Weil der Wald leidet, darf man ihn noch stärker belasten, ein ökologisches Eigentor.
🚫 „Ohne Windkraft im Wald schaffen wir die Energiewende nicht“
These:
Der Platz auf Freiflächen sei begrenzt. Windkraft im Wald sei nötig, um die Ausbauziele zu erreichen.
Fachliche Einschätzung:
Diese Aussage ist nicht fachlich zwingend.
Begründung:
- Der Windflächenbedarf lässt sich auch durch Repowering, Agri-Photovoltaik, Gebäudenutzung und weniger flächenintensive Konzepte decken.
- Unversiegelte Konversionsflächen, Randlagen, Autobahnbegleitflächen, Industriegebiete sind oft ungenutzt.
- Zudem sind Waldstandorte schlechter erschließbar, windärmer (je nach Lage), genehmigungsrechtlich aufwändig und ökologisch risikoreich.
- Studien (z. B. UBA, Öko-Institut) zeigen, dass der Beitrag der Windkraft im Wald quantitativ gering, aber konfliktträchtig ist.
🚫 „Wir gleichen die Eingriffe durch Artenschutzmaßnahmen aus“
These:
Für Beeinträchtigungen an Flora und Fauna werden ausreichend Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgenommen.
Fachliche Einschätzung:
Rechtlich möglich – fachlich unzureichend.
Begründung:
- Viele Ausgleichsmaßnahmen sind pauschal, ortsfremd oder zeitlich ungenügend (z. B. „Fledermauskästen“ statt natürlicher Quartiere).
- Bei Arten wie Schwarzstorch, Rotmilan oder Mopsfledermaus ist eine funktionsgleiche Kompensation kaum möglich.
- Monitoringprogramme sind oft unzureichend, viele Genehmigungen werden ohne aktualisierte Daten erteilt.
🚫 „Mehr Windräder bedeuten automatisch mehr Klimaschutz“
These:
Jedes zusätzliche Windrad hilft dem Klimaschutz.
Fachliche Einschätzung:
Nur unter bestimmten Voraussetzungen korrekt.
Begründung:
- Der Klimaschutzeffekt ist nicht allein an der Anzahl der Anlagen messbar, sondern an ihrer tatsächlichen Systemwirkung.
- Wenn Windstrom nicht genutzt oder gespeichert werden kann, führt er zu Abregelungen und Fehlanreizen.
- Gleichzeitig kann ein übermäßiger Ausbau andere Ziele konterkarieren: Biodiversitätsschutz, Wasserhaushalt, Landschaftsschutz etc.
- Klimaschutz darf nicht gegen Naturschutz ausgespielt werden – laut EU-Recht müssen beide Ziele gleichrangig verfolgt werden.
🚫 Weitere häufige, aber problematische Argumente:
Behauptung | Fachliche Widerlegung |
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„Windräder fördern Artenvielfalt durch Lichtungen“ | Habitatfragmentierung, Störungen, Barriereeffekte dominieren |
„Das ist grüne Energie, also per se nachhaltig“ | Technische Erzeugung ≠ ökologische Nachhaltigkeit |
„Nur ein kleiner Teil des Waldes ist betroffen“ | Windräder brauchen Zuwege, Kabeltrassen, Baufreiheit → oft mehrere ha pro Anlage betroffen |
„Der Bund schreibt uns das so vor“ | Raumordnung ist Ländersache, Kommunen haben Mitspracherecht |
„Es gibt ein übergeordnetes öffentliches Interesse“ | Dieses muss im Einzelfall mit Gegeninteressen abgewogen werden, es ist kein Freifahrtschein |