Kritik an aktueller Politik

Die kritischen Stimmen zum aktuellen politischen und planerischen Vorgehen beim schnellen Ausbau der Windenergie in Deutschland haben einige zentrale Gemeinsamkeiten. Diese beruhen auf Analysen von Umweltverbänden, Fachbehörden, Wissenschaftlern, Bürgerinitiativen und Landschaftsschützern.

Hier sind die 10 wichtigsten gemeinsamen Kritikpunkte, jeweils mit fachlicher Begründung:


🚫 Unzureichende Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes

Viele Windenergieprojekte werden in oder nahe an ökologisch sensiblen Gebieten geplant (z. B. Wälder, Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete). Das widerspricht dem EU-Naturschutzrecht, insbesondere der Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie.
Greifvögel wie Rotmilan oder Schwarzstorch und Fledermäuse (v. a. migrierende Arten) sind stark betroffen durch Kollisionen und Lebensraumverlust. Fachlich ist der Schutz dieser Arten nicht mit pauschalen Abstandsregelungen gewährleistet, sondern bedarf individueller Prüfungen, die häufig unterbleiben oder stark verkürzt wurden.


🚫 Deutliche Schwächung der Umweltprüfungen (SUP, UVP, FFH-VP)

Gesetzesänderungen (z. B. WindBG, BauGB) haben zur Folge, dass Strategische Umweltprüfungen (SUP), Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) oder FFH-Verträglichkeitsprüfungen stark vereinfacht oder sogar umgangen werden können, z. B. durch Privilegierung im Außenbereich (§ 35 BauGB).
Fachlich bedeutet das, dass mögliche negative Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Mensch nicht mehr ausreichend ermittelt, beschrieben und bewertet werden. Das ist ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip.


🚫 Landschaftsschutz und Kulturlandschaft werden systematisch unterbewertet

Der Landschaftsbildschutz (Teil der Raumordnung und des Bundesnaturschutzgesetzes) spielt bei Windvorrangflächen kaum noch eine Rolle. Sichtachsen, kulturhistorisch bedeutende Landschaften oder naturnahe Räume werden häufig überplant, ohne dass eine landschaftsplanerische Bewertung erfolgt.
Fachlich wird damit das Ziel einer „nachhaltigen Raumentwicklung“ aus der Raumordnung außer Kraft gesetzt.


🚫 Planung erfolgt oft nicht raumverträglich (Verstoß gegen Raumordnung und LEP)

Windvorranggebiete werden häufig rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verteilt, ohne Rücksicht auf regionale Unterschiede in Siedlungsdichte, Tourismus, Naturschutz, Luftverkehr, Bodenverhältnisse oder Hydrologie.
Fachlich widerspricht das dem Grundsatz der „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ und dem Prinzip der raumordnerischen Steuerung auf Grundlage des Raumordnungsgesetzes (ROG).


🚫 Fehlende flächenbezogene Bedarfsplanung / Verhältnismäßigkeit

Es existieren keine verbindlichen regionalen Zielgrößen für den Energiebedarf im Verhältnis zur Anzahl von Windrädern pro Fläche oder zur tatsächlichen Verbrauchsnähe.
Stattdessen wird häufig „so viel wie möglich“ genehmigt. Fachlich widerspricht das einer geordneten, nachfrageorientierten Infrastrukturplanung.


🚫 Intransparente oder verkürzte Beteiligungsverfahren

Bürgerbeteiligung wird vielfach nur formell umgesetzt: zu kurze Fristen, schlechte Informationslagen, mangelhafte Unterlagen.
Dies führt zu einer Vertrauenskrise und einer fachlich nicht belastbaren Planung, da lokale Kenntnisse (z. B. zu Artenvorkommen oder Nutzungskonflikten) nicht einbezogen werden.


🚫 Wälder als Standorte trotz ökologischer Gegenargumente

Waldstandorte sind besonders wichtig für den Klima- und Bodenschutz, für Biodiversität und als Kaltluftentstehungsgebiete.
Die Rodung für Windparks (inkl. Erschließung, Wege, Leitungen) zerstört dauerhaft komplexe Waldökosysteme und widerspricht dem Ziel der „Waldmehrung“ und dem Prinzip des Flächensparens.
Fachlich sind windreiche Offenlandstandorte ökologisch deutlich weniger belastend.


🚫 Gefahr für das Landschaftswasserregime und Mikroklima

Der Bau großer Windkraftanlagen in Wald- oder Moorgebieten kann das hydrologische Gleichgewicht stören: Entwässerung, Bodenverdichtung und Temperaturveränderungen können auftreten.
Zudem beeinflussen die Anlagen durch Luftverwirbelung (Wake-Effekte) lokal das Mikroklima, was Auswirkungen auf Vegetation, Insekten und Böden haben kann. Dies wird bisher kaum untersucht.


🚫 Touristische und psychologische Wirkungen werden ignoriert

Große Windparks in naturnahen Erholungslandschaften führen nachweislich zu Einbußen im Naturtourismus (z. B. Wander-, Kur-, Gesundheitsregionen).
Auch psychologische Studien zeigen, dass eine „Vertechnisierung der Heimatlandschaft“ zu emotionaler Entfremdung führen kann. Das ist ein weicher, aber realer Wirkfaktor auf Lebensqualität.


🚫 Risiko einer Akzeptanzkrise durch Übermaß und Ungleichverteilung

In vielen Regionen (so auch in Niedersachsen) ballen sich Hunderte von Windrädern, während andere Bundesländer (z. B. Bayern) kaum Ausbauflächen zur Verfügung stellen.
Dieses Ungleichgewicht widerspricht der Gerechtigkeit im föderalen System. Fachlich führt das zur Erosion der gesellschaftlichen Akzeptanz und birgt das Risiko, dass die Energiewende insgesamt gefährdet wird, durch Widerstand vor Ort und wachsende Ablehnung.



🚫 Netzüberlastungen und Abregelung („Redispatch“, Einspeisemanagement)

Bei starkem Wind produzieren Windkraftanlagen oft mehr Strom, als lokal verbraucht oder über das Stromnetz abtransportiert werden kann.
Dann müssen Netzbetreiber sogenannte Redispatch-Maßnahmen durchführen: Anlagen werden zwangsweise abgeregelt, teils über hunderte Stunden im Jahr.

Folgen:

  • Netztechnisch: Instabilität durch regionalen Überfluss → Gefahr von Spannungsspitzen, Frequenzabweichungen, Schutzabschaltungen.
  • Ökonomisch: Betreiber erhalten trotz Abregelung Entschädigungen – laut BNetzA beliefen sich diese 2023 auf über 800 Mio. € (steigend).
  • Systemisch: Es wird Strom erzeugt, der nicht genutzt werden kann – eine Form von Ressourcenverschwendung („negativer Grenznutzen“).

🚫 Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch (fehlende Flexibilität)

Windkraft ist fluktuierend (nicht grundlastfähig). Strom fällt unregelmäßig und schwer planbar an. Ein Übermaß an fluktuierender Energie belastet das Stromsystem, wenn keine ausreichenden Speicher oder flexible Verbraucher existieren.

Folgen:

  • Strom muss sekundengenau ausgeglichen werden, sonst droht Netzinstabilität.
  • Bei Überproduktion kommt es zu negativen Strompreisen an der Börse → paradox: Stromerzeuger erhalten Geld dafür, dass sie einspeisen, obwohl es keinen Bedarf gibt.
  • Es fehlen ausreichende Lastmanagementsysteme, Speicher (z. B. Batteriespeicher, Wasserstoff), Power-to-X-Anwendungen.

🚫 Unzureichender Netzausbau (Verteil- und Übertragungsnetz)

Der Ausbau der Windenergie erfolgt in Nord- und Ostdeutschland – große Verbrauchszentren (z. B. Süddeutschland) liegen weit entfernt. Die Übertragungsnetze (v. a. Nord-Süd-Achse) sind überlastet.

Folgen:

  • Die nötigen HGÜ-Trassen (z. B. SuedLink) sind jahrelang verzögert und extrem teuer (> 20 Mrd. € geschätzt).
  • Auch die regionalen Verteilnetze (110 kV, 20 kV) sind nicht auf Rückspeisung in diesem Umfang ausgelegt → kostspielige Umbauten.
  • Netzbetreiber warnen vor einem „Flaschenhals-System“, mit jeder neuen Anlage steigt das Risiko der Ineffizienz.

🚫 Hohe Systemkosten durch Subventionen (EEG-Umlage, Differenzverträge)

Windenergie ist zwar in vielen Fällen wettbewerbsfähig geworden, jedoch nur unter bestimmten Annahmen.
Zur Sicherung von Investitionen erhalten viele Betreiber marktunabhängige Vergütungen (z. B. durch Ausschreibungen, Differenzverträge, PPA-Modelle, §19 StromNEV etc.).

Folgen:

  • Die Kosten für Subventionen und Netzbetrieb wurden bis 2022 über die EEG-Umlage finanziert, heute über den Bundeshaushalt (ca. 30 Mrd. €/Jahr).
  • Die indirekten Strompreiseffekte (Netzentgelte, Steuerverzichte, Systemdienlichkeit) werden auf Verbraucher und Unternehmen umgelegt.
  • Auch Folgekosten (Rückbau, Recycling, Entschädigungen, Artenschutzauflagen) werden kaum internalisiert.

🚫 Hohe Rückbaukosten und fehlende Recyclingstrategien

Windkraftanlagen haben eine Lebensdauer von etwa 20–25 Jahren. Viele der älteren Anlagen erreichen bald das Ende ihrer Lebenszeit („Repowering“).
Die Rückbaukosten sind erheblich, insbesondere bei Fundamenten und Rotorblättern (Verbundmaterialien wie GFK/CFK sind kaum recycelbar).

Folgen:

  • Rückstellungen werden oft zu niedrig angesetzt oder nicht kontrolliert.
  • Recyclingkosten könnten in Zukunft auf Kommunen oder Steuerzahler übergehen.
  • Ein echter „Kreislaufansatz“ fehlt, entgegen dem Nachhaltigkeitsanspruch.

🚫 Strompreisparadoxon trotz Ökostromüberschuss

Trotz des wachsenden Anteils an günstiger Windenergie zahlen deutsche Verbraucher europaweit mit die höchsten Strompreise.

Erklärung:

  • Grund: Netzkosten, Umlagen, Abgaben und Kosten für Systemdienstleistungen.
  • Gleichzeitig profitieren energieintensive Unternehmen von Ausnahmen → soziale Schieflage.
  • Wirtschaftlich bedenklich: Es wird mehr „grüner“ Strom produziert, aber nicht effizient genutzt, das ist kein echter Fortschritt.

🚫 Verdrängung anderer erneuerbarer Technologien

Die Fokussierung auf Windkraft (v. a. Onshore) führt dazu, dass andere regenerative Technologien (v. a. Photovoltaik, Geothermie, Speicher, Kraft-Wärme-Kopplung) politisch und wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten.

Folgen:

  • Einseitige Förderung verhindert eine technologische Diversifikation.
  • Potenziale z. B. auf Dächern, in Nahwärmenetzen oder bei Quartierslösungen bleiben ungenutzt.
  • Für die Resilienz eines Energiesystems ist jedoch technische Vielfalt essenziell, Monostrukturen sind anfällig.