In Breetze formiert sich Widerstand
Die Bürger wollen den Bau zahlreicher Windkraftanlagen im Naherholungsgebiet verhindern – und gründen eine BI
Breetze.
Windkraftanlagen ja, aber bitte gerecht verteilt. Nicht so viele, nicht bei uns. So lässt sich die Stimmung in Breetze beschreiben. Am Ostermontag hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die „BI Breetzer Berge“.
Zu den Gründern gehören Thorsten Wendt, Michael Müller und Peggy Neumann. Sie wollen verhindern, dass hier, mitten im Wald, im Naherholungsgebiet, bis zu 90 oder auch 100 Windkraftanlagen errichtet werden können.
„Wir haben schon am ersten Tag 450 Unterstützer gehabt“, sagen Wendt und Müller. Sie sind Nachbarn in Breetze, blicken von ihren Gärten aus direkt auf den Wald, um den es ihnen geht. Im Gespräch mit der LZ tragen sie viele Gründe vor, warum hier kein Windpark in solcher Größe
entstehen sollte oder entstehen darf. Auf die Frage, wie viele Anlagen sie denn akzeptieren würden, gibt es zunächst eine Gegenfrage: Warum wurde dieses Gebiet überhaupt als Vorrangfläche ausgesucht?
Land pocht auf mehr Vorrangflächen
Klar ist, dass der Landkreis Lüneburg unter Zugzwang ist. Bisher umfassen die vom Landkreis festgelegten Vorranggebiete für Windkraft mit insgesamt rund 750 Hektar ungefähr 0,6 Prozent der Landkreisfläche. Bei der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) war der Kreis selbst von einer erhöhten Potenzialfläche
von 4,6 Prozent ausgegangen. Aber eben nur als Ausgangswert, um nach Abwägung von Ausschlusskriterien herunterzugehen. Doch selbst der Ausgangswert wäre nach den Vorgaben aus Hannover zu wenig. Das Land Niedersachen fordert künftig 4,72 Prozent im Landkreis Lüneburg. Die meisten anderen Landkreise liegen zum Teil deutlich darunter. Auslöser ist das „Windenergie-an-Land“-Gesetz des Bundes. Darauf aufbauend will das Land den Landkreisen vorschreiben, wie viel Fläche sie künftig für die Erzeugung von Windenergie bereitstellen müssen. Dabei geht das Land zudem von geringeren Abständen zur Wohnbebauung aus als die bislang üblichen 1000 Meter zu Wohngebieten. Umweltministeriumssprecher Matthias Eichler hatte im März gegenüber der LZ gesagt: „Für die Potenzialabschätzung wurde mit einem Abstand von 800 Metern zu Wohngebieten und 400 Metern zu Wohnbebauung im Außenbereich gerechnet.“ Aber: „Die Kreise können höhere Abstände wählen, müssen aber das gesetzlich zugewiesene Flächenziel bis 2026 erfüllen.“ Klar ist auch, dass Windkraftanlagen nicht nur auf offener Fläche, sondern auch in Waldgebieten errichtet werden können und sollen.
Lärmbelastung würde sich verdoppeln
„Betroffen wäre der ganze Breetzer Wald“, betonen Wendt und Müller. Insgesamt seien rund 1030 Hektar als Vorrangfläche ausgewiesen – „die Flächen 01_06 und 01_07“. Da theoretisch eine Anlage auf 10 Hektar stehen könnte, „käme man schlimmstenfalls auf 100 Anlagen“, betonen sie. Das lehnen sie aus vielen Gründen ab. „Schon bei zehn Windkraftanlagen hätte man zehn Schallquellen. Und das entspricht einer Verdopplung der Lärmbelastung“, sagt Müller. Auch die Gefahr des Brandes von Windkraftanlagen dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Und dann ist da noch die
Frage nach dem negativen Einfluss der Bodenverdichtung, die durch Fundamente der Anlagen, aber auch durch die Zuwegung entsteht. „Der Breetzer Wald ist Trinkwassergewinnungsgebiet für die gesamte Region Bleckede, aber auch für Teile des Landkreises Harburg.“ Nicht nur die
Verdichtung, sondern auch Stoffe im Beton könnten eine Gefahr für das Trinkwasser darstellen. Wendt betont auch den großen Erholungswert des Breetzer Waldes. „Viele Bürger aus der Region gehen hier spazieren, genießen den Wald. Und auch viele Touristen kommen extra hierher.“ Kommt ein Riesen-Windpark, wäre all das unwiederbringlich zerstört. Er und Müller haben noch weitere Gründe zusammengetragen: Schlagschatten, psychische Nachteile bis hin zum Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, der Gleichheit vor dem Gesetz. Denn wenn die Breetzer die Hauptlast tragen müssten, wäre das alles andere als gerecht. Müller präsentiert eine Berechnung, wonach Breetze 119 Mal stärker betroffen wäre als Durchschnittsortsteile im Landkreis. Und dann antworten Wendt und Müller auf die Frage, wieviele Anlagen sie hier akzeptieren würden: keine. Denn ers tens gebe es südlich von Breetze bereits drei Anlagen. Und zwei tens käme so nach ihrer Rechnung nur 0,75 Anlagen als gerechter Verteilungswert für Breetze heraus.
Bürgermeister will alternative Flächen anbieten
Die BI hat nicht mehr viel Zeit. Nur noch bis zum 17. April kann sie in einer Stellungnahme Gründe gegen die Vorrangfläche aufführen. Wendt und Müller haben aber bereits Rückendeckung erhalten. Sie und weitere rund 120 Zuhörer waren am Dienstag abend dabei, als der Bauausschuss der Stadt Bleckede tagte. Bürgermeister Dennis Neumann betont am Tag darauf: „Wir sind gegen eine Vorrangfläche in Breetze und werden unseren Einwand dem Landkreis übermitteln.“ Der Wald sei ein Naherholungsgebiet. Zudem seien auch von der Topografie her so viele Windkraftanlagen nicht tragbar. Und unzumutbar für die Bürger.
„Allerdings sagen wir nicht nur Nein, sondern bieten auch alternative Flächen an. Zum Beispiel im Raum Walmsburg“, betont Neumann. Er sei gespannt darauf, wie der Landkreis reagiert. Im Übrigen sei das RROP mehr als nur Windkraftanlagen-Vorrangflächen. Es geht um die Entwicklung von Gewerbe- und Wohnflächen. „Uns allen sollte daran gelegen sein, dass sich der Landkreis Lüneburg homogen entwickelt.“