Drei Szenarien für die Windkraftplanung
VON DENNIS THOMAS
Bis 2032 soll der Kreis Lüneburg vier Prozent seiner Fläche für Windenergieanlagen reservieren – aber auf welche Weise?
Lüneburg. Die Landschaft im Landkreis Lüneburg wird sich von Amelinghausen bis Dahlenburg deutlich verändern. Die geplanten Vorranggebiete für neue Windparks nehmen weiter Gestalt an. Die Kreisverwaltung stellte jetzt im Raumordnungsaussschuss des Kreistags drei mögliche Szenarien vor, in welchem Ausmaß künftig der Windenergie Flächen zugewiesen werden könnten. Am Ende des noch laufenden Abwägungsprozesses soll voraussichtlich Mitte 2024 die Politik abschließend über den 1. Entwurf entscheiden. Die Weichen dafür werden bei der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogrammes gestellt. Die flächenmäßig größte Variante umfasst 5.795,6 Hektar.
■ Was ist das Regionale Raumordnungsprogramm?
Der Landkreis Lüneburg arbeitet derzeit an der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) bis Ende 2025. Es ist ein Planungsinstrument des Kreises, um regional bedeutsame Ziele vorzugeben; diese bilden den Rahmen, in dem sich wiederum die Kommunen für ihre Entwicklungsplanung bewegen dürfen. Die Bandbreite des RROP reicht von der Siedlungsentwicklung über Rohstoffgewinnung bis zur Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergienutzung. Maßgebliche Ziele werden vom Land Niedersachsen durch das Landesraumordnungsprogramm (LROP) vorgegeben, die der Kreis in seiner Planung umsetzen muss.
■ Plant der Landkreis die Windparks selbst?
Nein, der Landkreis plant keine Windparks. Auf der Ebene des RROP plant der Kreis nur die grundsätzlich geeigneten Landschaftsräume. Die Planung der Windkraftanlagen ist jeweils die Sache derer, die investieren. Wie schließlich der Bau und gegebenenfalls Ausgleichsmaßnahmen geregelt werden, ist später Gegenstand von Genehmigungsverfahren.
■ Welche Vorgaben des Landes muss der Landkreis hinsichtlich der Windenergieplanung berücksichtigen?
Derzeit bereitet das Land das Niedersächsische Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes vor. Der Beschluss wird voraussichtlich im Februar/März 2024 fallen. Darin schreibt das Land den Landkreisen vor, wie viel Prozent ihrer Flächen sie jeweils dem Ausbau der Windenergie vorrangig zur Verfügung stellen sollen, um landesweit einen Durchschnitt von 2,2 Prozent zu erreichen. Das geht auf Vorgaben des Bundes zurück. Mit einem Wert von 4 Prozent gehört der Landkreis Lüneburg mit den Landkreisen Rotenburg (Wümme) und Uelzen zu jenen Landkreisen in Niedersachsen mit den höchsten regionalen Teilflächenzielen.
■ Wie sieht der zeitliche Rahmen für die Ausweisung der Windkraft-Vorranggebiete aus?
Das Land plant eine zeitliche Staffelung. Demnach müsste der Landkreis Lüneburg bis Ende 2027 einen Flächenanteil von 3,09 Prozent für Windenergienutzung ausweisen und bis Ende 2032 insgesamt den Wert von 4,0 Prozent erreichen.
■ Was passiert, wenn das vorgegebene Flächenziel nicht erreicht wird?
Sollte der Landkreis das zugewiesene Teilflächenziel nicht erreichen, wäre die Vorrangflächenplanung für Windkraftanlagen im Landkreis insgesamt hinfällig. Damit ginge die Steuerungswirkung mit dem Ziel einer Konzentration von Windrädern auf bestimmten Flächen verloren. In der Folge wäre der Bau von Windkraftanlagen überall im Kreisgebiet privilegiert und könnte auch gegen andere Planungsziele des Landkreises durchgesetzt werden – auf potenziellen Entwicklungsflächen, die eigentlich für Siedlungen, Gewerbe bis Natur- und Landschaft oder Erholungsnutzung vorgesehen wären. Gleichzeitig müssten jene, die investieren, sich nicht mehr an die im RROP vorgesehenen, höheren Schutzabstände von 900 Metern zur Wohnbebauung halten. Das Teilflächenziel gilt dann als nicht erreicht, wenn beispielsweise die vorgegebene Frist nicht eingehalten wird oder eine Teilfläche im Zuge einer Klage gegen das RROP ersatzlos herausfällt und damit der vorgeschriebene Wert von 3,09 bzw. 4,0 unterschritten wird.
■ Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens?
Der Landkreis hatte im Frühjahr 2023 ein Beteiligungsverfahren zum 1. Entwurf des neuen RROP 2025 durchgeführt. Dabei konnten neben Behörden und Verbänden auch Bürgerinnen und Bürger Stellungnahmen zur Planung der Windkraft-Vorranggebiete abgeben. Insgesamt sind laut Lena Lampe vom Fachdienst Regional- und Bauleitplanung dazu 819 Dokumente mit mehr als 4800 Argumenten gesichtet und ausgewertet worden. Der Abwägungsprozess dauert noch an, kann aber im Detail erst abgeschlossen werden, wenn sich die Kreispolitik insbesondere bei der Windkraftplanung auf eine Marschrichtung verständigt hat, heißt es. Ein abschließender Erörterungstermin zu den eingegangenen Stellungnahmen könnte im ersten Quartal 2024 stattfinden, mit dem Ziel, dass der Kreistag den 1. Entwurf des RROP im Juni 2024 beschließt. Danach stünde die nächste Phase im Beteiligungsverfahren an.
■ Welche Varianten stehen der Kreispolitik bei der Planung zur Auswahl?
Der Landkreis hat drei Szenarien entworfen, die alle auf einer Kreistagsentscheidung fußen, die vom Land eröffnete Möglichkeit zu nutzen, Windkraftanlagen auch in Wäldern zu erlauben. Die Basis-Variante 1 geht mit einem Flächenanteil am Landkreis von 4,37 Prozent mit einem Sicherheitspuffer ins Rennen und umfasst kreisweit insgesamt 5795,6 Hektar. Die größten Gebiete liegen bei Südergellersen und Breetze. Der Anteil Wald dieser Variante liegt bei 59,19 Prozent. Einerseits bietet der Sicherheitspuffer von 0,37 Prozentpunkten etwas Spielraum, sollte eine Fläche wegen einer Klage später herausfallen. Allerdings sieht die Kreisverwaltung bereits die Belastung für die Region durch das 4,0-Prozent-Ziel als sehr hoch an und empfiehlt, „aus fachlicher Sicht keine zusätzlichen Flächen unnötig zur Verfügung“ zu stellen.
Variante 2 kommt mit 5305 Hektar auf einen Flächenanteil von genau 4,0 Prozent. Der aufgelöste Sicherheitspuffer von rund 490 Hektar aus der Variante 1 wird dazu genutzt, um vor allem die großen Vorranggebiete Südergellersen und Breetze zu verkleinern, die besonders für Mensch, Ortslagen und Landschaft belastend sind, heißt es.
Variante 3 umfasst 5310,2 Hektar und kommt gerundet ebenfalls auf 4,0 Prozent. Dabei wird die Flächenreduzierung aus Variante 2 vor allem zugunsten der Gebiete bei Südergellersen und Breetze noch weiter getrieben. Möglich gemacht wird das, indem bereits vorbelastete Bereiche aus dem Landschaftsschutzgebiet (LSG) Lüneburg ebenfalls für Windräder geöffnet werden sollen. Die aus Sicht der Verwaltung geeigneten LSG-Flächen haben mit 0,14 Prozent der Landkreisfläche aber einen eher geringen Anteil. Aus Sicht der Kreisverwaltung erweise sich die Variante 3 als das „zielführendste“ Szenario „im Sinne einer größtmöglichen Belastungsminderung für Mensch, Ortslagen und Landschaftsbild im Landkreis Lüneburg“, heißt es in der Sitzungsvorlage.
■ Welche Kritik und Forderungen gibt es aus der Kreispolitik?
Mitglieder des Raumordnungsschusses, beispielsweise Stefan Mues (Die Unabhängigen) oder Dr. Hinrich Bonin (SPD), forderten die Verwaltung auf, eine 4. Variante zu erarbeiten, die zunächst nur das 3,09-Prozent-Ziel bis Ende 2027 in den Blick nimmt. Bonin: „Wir wollen dem Land nicht mit Hurra signalisieren, dass wir die 4,0 Prozent gerne umsetzen.“ Und das noch vorzeitig vor der zweiten Frist 2032. Auch solle laut Mues ein höherer Abstand von 1000 Metern zu windzugewandten Siedlungen betrachtet werden. Zudem häuften sich kritische Wortmeldungen, etwa von Alexander Blume (CDU), dass Wald als Standort für Windräder genutzt werden soll. Laut Lena Lampe sei das aber der Preis dafür, den Abstand zur Wohnbebauung von 800 auf 900 Meter erhöhen zu können.